Autor: Todd Gillespie
Übersetzung: Luffy, Foresight News
Auf der Ausgabenliste von Cantor Fitzgerald LP für das Jahresende könnte dieses Jahr ein besonderer Posten auftauchen.
„Ich habe gerade das Büro verlassen und scherzte mit jemandem, dass ich ihm gerne ein Klappbett kaufen würde, weil er am Sonntag zur Arbeit kommt und erst am Freitag wieder geht“, sagte der 53-jährige Sage Kelly, Co-CEO der Investmentbank von Cantor, in einem Interview im New Yorker Büro.
Das in New York ansässige private Boutique-Finanzinstitut steigt derzeit stetig im Wall-Street-Ranking auf, nutzt den Krypto-Boom frühzeitig und belebt das von SPACs (Special Purpose Acquisition Companies) getriebene Transaktionsgeschäft wieder – und erlebt das geschäftigste und erfolgreichste Jahr seiner Geschichte.
Derzeit wird Cantor von den Brüdern Brandon Lutnick und Kyle Lutnick geführt, deren Vater Howard Lutnick Anfang dieses Jahres in die Regierung von Donald Trump eintrat und Handelsminister wurde. Laut informierten Kreisen könnte der Umsatz des Unternehmens im Jahr 2025 die Marke von 2,5 Milliarden US-Dollar überschreiten – ein historischer Höchststand und mehr als ein Viertel Wachstum gegenüber dem Vorjahr.
Von links nach rechts: Pascal Bandelier, Christian Wall, Kyle Lutnick, Brandon Lutnick, Sage Kelly, aufgenommen im New Yorker Büro des Unternehmens
„Eine Branchenikone wie Howard, ein entschlossener Charakter, der hier 40 Jahre gearbeitet und das Unternehmen 30 Jahre lang geführt hat – sein Weggang hinterlässt zwangsläufig eine große Lücke“, sagte Kelly. Er ist zusammen mit Pascal Bandelier und Christian Wall Co-CEO und für den Betrieb des Unternehmens verantwortlich. „Aber das gesamte Unternehmen ist aufgestanden und hat Erfolg gehabt – das ist Brandon zu verdanken, aber auch Kyle.“
Die Führungskräfte weisen die Behauptung zurück, „neue Beziehungen in Washington hätten den Unternehmenserfolg begünstigt“. Sie sagen, der Erfolg von Cantor sei kein Zufall, sondern das Ergebnis eines schlanken Teams und jahrelanger Vorbereitung auf Bereiche, die von den etablierten Banken gemieden wurden.
Laut informierten Kreisen werden die 250 Makler des Unternehmens voraussichtlich mehr als 1 Milliarde US-Dollar Umsatz generieren. Nach Daten von Coalition Greenwich trägt jeder Banker etwa 4 Millionen US-Dollar zum Umsatz bei – etwa doppelt so effizient wie die großen Wall-Street-Institute.
Ein Sprecher von Cantor lehnte es ab, sich zu den Finanzergebnissen des Unternehmens zu äußern.
In diesem Jahr belegte Cantor bei der Anzahl der von ihr begleiteten US-IPOs den ersten Platz und rangiert bei allen US-Aktienemissionen auf Platz fünf – noch vor etablierten Instituten wie Barclays und Citigroup. Das Handelsgeschäft des Unternehmens floriert, die Kunden kommen überwiegend aus dem Ausland; zudem steht Cantor kurz davor, den Hedgefonds O’Connor von der UBS Group zu übernehmen. Allerdings erlitt die Abteilung Verluste im Zusammenhang mit Geschäften des insolventen Autozulieferers First Brands Group – das Geschäft scheiterte in letzter Minute.
Cantor hat zudem Banker eingestellt, um den deutschen Markt zu erschließen, und beteiligt sich an der Übernahmewelle regionaler US-Banken (es gibt etwa 4.000 regionale Banken in den USA). Ein weiteres Ziel ist der Nahe Osten: Cantor hat bereits ein Bankenteam in Dubai aufgebaut und bereitet den Markteintritt in Abu Dhabi vor, um Aktienhandel, Investmentbanking und andere Dienstleistungen in die Region zu bringen.
Ein Großteil des Umsatzes von Cantor stammt aus dem sprunghaften Anstieg der Krypto-bezogenen Handelsaktivitäten, darunter die Finanzierung von Krypto-Treasury-Unternehmen im Milliardenbereich; außerdem hat das Unternehmen frühzeitig in heute boomende Bereiche wie seltene Erden, Quantencomputing, Robotik und Rechenzentren investiert, die ebenfalls hohe Renditen abwerfen.
Howard Lutnick trat Anfang dieses Jahres der Regierung von Präsident Donald Trump als Handelsminister bei
„Die fünf globalen Kernthemen entsprechen genau unseren fünf größten Investitionen der letzten drei bis vier Jahre“, sagt der 46-jährige Bandelier. Er ist auch Leiter des Aktiengeschäfts, dessen Umsatz 2025 voraussichtlich doppelt so hoch sein wird wie im bisherigen Rekordjahr 2008.
Nachdem die Lutnick-Brüder zusammen mit ihren jüngeren Geschwistern die Mehrheitsbeteiligung am Unternehmen übernommen hatten, zog diese Erfolgsserie große Aufmerksamkeit an der Wall Street und in Washington auf sich. Die Führungskräfte wiesen Interessenkonflikt-Vorwürfe zurück und betonten, dass sie das Unternehmen nun unabhängig von Howard führen und die heute boomenden Geschäftsbereiche schon lange vorbereitet hätten – der aktuelle Erfolg sei die logische Folge.
„Ich versichere Ihnen, wir haben uns das nicht unverdient“, sagte Kelly. „Für unsere Konkurrenten ist es leicht, das zu behaupten, weil sie nicht jeden Tag an unserer Seite arbeiten und die Mühen nicht kennen.“
Am Dienstag beschrieb Brandon Lutnick auf einer Konferenz im luxuriösen Ritz-Carlton Hotel in Miami Beach die arbeitsreiche Zeit der Familie.
„Mein Bruder Kyle und ich haben immer darauf hingearbeitet, diese Position zu übernehmen, aber es ist tatsächlich viel früher passiert, als wir erwartet hatten“, sagte der 27-jährige Brandon. Er ist Vorsitzender und CEO der Muttergesellschaft, sein 29-jähriger Bruder Kyle ist Executive Vice Chairman. „Für unser Unternehmen ist dieses Jahr ein glänzendes Jahr.“
Am Vorabend veranstaltete Brandon ein Abendessen, bei dem er neben dem ehemaligen Krypto-Berater des Präsidenten, Bo Hines, und den Gründern der Kryptobörse, den Winklevoss-Zwillingen, saß. Der Krypto-Befürworter und durch die TV-Show „Shark Tank“ bekannte Kevin O’Leary saß ebenfalls an seiner Seite.
Cantor arbeitet zudem mit dem langjährigen Kunden Tether zusammen, um einen Stablecoin in den USA einzuführen; gleichzeitig ist das Unternehmen Finanzberater von Tether (Cantor ist auch Investor bei Tether) und unterstützt das Unternehmen bei der Kapitalbeschaffung. Diese Finanzierungsrunde könnte Tether mit bis zu 500 Milliarden US-Dollar bewerten und Cantor Milliarden an Gewinn einbringen. Darüber hinaus profitierte Cantor vom im Juli von der Trump-Regierung verabschiedeten Genius Act, der einen Regulierungsrahmen für Stablecoins in den USA schafft.
„Schon bevor Howard in die Regierung eintrat, waren wir im Kryptobereich aktiv“, sagte Kelly. „Schon vor Howards Amtszeit haben wir in Technologie und Industrie investiert und sind auch früh in den Strom- und erneuerbaren Energiesektor eingestiegen.“
Tether-CEO Paolo Ardoino mit Cantor-Chairman Brandon Lutnick auf der Bitcoin-Konferenz 2025 in Las Vegas
Nicht alle glauben an die Unabhängigkeit von Cantor. Im August forderten die demokratischen Senatoren Ron Wyden und Elizabeth Warren weitere Informationen an, nachdem Berichte aufkamen, dass Cantor an einem Deal beteiligt sein könnte, bei dem Hedgefonds von der Aufhebung von US-Zöllen profitieren würden. Laut Insidern hat Cantor, obwohl auch andere Banken an solchen Geschäften beteiligt waren, das Geschäft aufgegeben, um potenziellen Interessenkonflikten aus dem Weg zu gehen, und sich geweigert, Beratungsdienste für den Bitcoin-Treasury der Trump Media & Technology Group zu übernehmen.
„Wenn der Sohn des Handelsministers das Wall-Street-Unternehmen seines Vaters leitet, werden die Leute zwangsläufig fragen, ob alles mit rechten Dingen zugeht“, schrieb Wyden im August in einer E-Mail an Bloomberg.
Doch in einer Zeit, in der sich Politik und Wirtschaft auf nie dagewesene Weise vermischen, scheut Cantor nicht den Kontakt zu Regierungsvertretern. Bei der Konferenz in Miami empfing das Unternehmen den Präsidentensohn Eric Trump sowie den texanischen Senator Ted Cruz – Cruz ist Vorsitzender des Ausschusses, der das von Howard Lutnick geführte Handelsministerium überwacht. Am Abend reiste Brandon Lutnick eilig nach Washington, um an einem Abendessen im Weißen Haus mit Wall-Street-Größen und seinem Vater teilzunehmen.
Kryptowährungen wurden jahrelang kritisch beäugt, doch frühe Investoren sind überzeugt, dass der Reichtum nur eine Frage der Zeit ist.
„Man muss erst den Winter durchstehen, bevor der Frühling kommt“, sagte der 50-jährige Wall. Er leitet das Fixed-Income-Geschäft des Unternehmens, das einen milliardenschweren Kreditservice mit Bitcoin als Sicherheit eingeführt und im Mai die erste Transaktion abgeschlossen hat. Wall sagt, die Unterstützung der Trump-Regierung für Innovationen, die regulatorische Klarheit und die institutionelle Akzeptanz „schaffen eine völlig neue Welt“.
Bandelier sagt, der Erfolg des Unternehmens sei auch auf die Schwäche der mittelgroßen US-Banken zurückzuführen. „Das ist die einfachste Zeit für Personalgewinnung in meiner Karriere“, sagt er.
In gewisser Weise haben sich Cantor und die Kryptoindustrie verändert – die diesjährige Konferenz in Miami (die dritte in vier Jahren) war erstmals für Medienvertreter geöffnet.
Ein weiteres bemerkenswertes Ereignis: Keynote-Speaker und Tether-CEO Paolo Ardoino sprach vor den beiden einflussreichsten US-Finanzaufsichtsbehörden – SEC-Vorsitzender Paul Atkins und CFTC-Interimschefin Caroline Pham.
In einer Pause posierten die drei zusammen mit Brandon Lutnick und Cantors General Counsel Stephen Merkel für ein gemeinsames Foto – alle lächelten.
